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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils EL 2008/46: Versicherungsgericht

Der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Marc Weber, hat eine Ergänzungsleistung zur IV beantragt, da er aufgrund psychischer Probleme nicht in der Lage war, seine Restarbeitsfähigkeit wirtschaftlich zu nutzen. Trotz seiner psychischen Probleme war er jedoch teilweise berufstätig. Die EL-Durchführungsstelle lehnte seinen Antrag ab, da sie davon ausging, dass er hypothetisch in der Lage gewesen wäre, ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Das Gericht entschied, dass der Beschwerdeführer objektiv in der Lage war, seine Restarbeitsfähigkeit zu nutzen, da er bereits eine Arbeit gefunden hatte, die er von zu Hause ausführen konnte. Die Beschwerde wurde abgewiesen, keine Gerichtskosten erhoben, und der Staat entschädigte den Rechtsbeistand des Beschwerdeführers mit CHF 2400.-.

Urteilsdetails des Kantongerichts EL 2008/46

Kanton:SG
Fallnummer:EL 2008/46
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:EL - Ergänzungsleistungen
Versicherungsgericht Entscheid EL 2008/46 vom 09.12.2009 (SG)
Datum:09.12.2009
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 11 Abs. 1 lit. g i.V.m. Art. 11 Abs. 1 lit. a ELG, Art. 14a Abs. 2 ELV. Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens des EL-Ansprechers selbst. Die in Art. 14a Abs. 2 ELV aufgestellte Vermutung, dass es dem teilinvaliden EL-Ansprecher möglich sei, ein bestimmtes Erwerbseinkommen zu erzielen, kann nur dadurch widerlegt werden, dass eine objektiv unvermeidbare Arbeitslosigkeit nachgewiesen wird. Dazu ist in Analogie zur Regelung in der Arbeitslosenversicherung der Nachweis quantitativ und qualitativ ausreichender, aber erfolgloser Bemühungen um eine Arbeitsstelle erforderlich. Im vorliegenden Fall Versuch eines Nachweises der unvermeidbaren Arbeitslosigkeit aufgrund indirekter Krankheitsfolgen [Unfähigkeit, die Wohnung zu verlassen] (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. Dezember 2009, EL 2008/46).
Schlagwörter : Arbeit; Erwerbseinkommen; EL-Ansprecher; Arbeitslosigkeit; Ergänzungsleistung; IV-Stelle; Störung; Termin; Arbeitsbemühungen; Invalidität; Wohnung; Erwerbseinkommens; Angst; Vermutung; Arbeitsstelle; Recht; Gallen; Einsprache; Termine
Rechtsnorm:Art. 17 ATSG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts EL 2008/46

Vizepräsidentin Karin Huber-Studerus, Versicherungsrichterin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichter Franz Schlauri; Gerichtsschreiber Ralph Jöhl

Entscheid vom 9. Dezember 2009 in Sachen

W. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Marc Weber, Waisenhausstrasse 14, 9000 St. Gallen,

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse des Kantons St.

Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin, betreffend Ergänzungsleistung zur IV Sachverhalt:

A.

    1. W. meldete sich am 29. Januar 2004 zum Bezug von IV-Leistungen an. Dr. med. A. berichtete der IV-Stelle am 30. März 2004, der Versicherte leide an neurooptischen Dysfunktionen nach Rauschmittelabusus, an Angstzuständen und an Kniebeschwerden. Als Informatiker sei der Versicherte zu 100% arbeitsunfähig. Er klage über optische Halluzinationen, einen ausgeprägten Tremor und Angstzustände. Diese Symptome träten ausserhalb der Wohnung vermehrt auf. Zumutbar sei eine Erwerbstätigkeit im Ausmass von ca. 50%. Allerdings sollte der Versicherte diese zuhause ausführen können. Der Psychiater Dr. med. B. gab am 11. Juni 2004 als Diagnose eine schizoaffektive Störung. Er führte dazu aus, es scheine eine deutliche Besserung der psychosozialen Situation eingetreten zu sein, so dass jetzt berufliche Massnahmen in Betracht gezogen werden müssten. Bei einer beruflichen Ausbildung des Versicherten seien keine besonderen, behinderungsbedingten Massnahmen erforderlich. Die IV-Stelle ersuchte Dr. med. B. am 28. Juni 2004, mehrere Zusatzfragen zu beantworten. Der Versicherte teilte am 24. November 2004 mit, Dr. med. B. wolle ihn nicht mehr behandeln. Nach etwa fünfzehn vergeblichen Anfragen habe er endlich bei Frau Dr. med. C. einen Termin erhalten. Diese Psychiaterin teilte der IV-Stelle am 5. April 2005 mit, sie könne keinen Bericht erstatten, weil der Versicherte nicht zu den vereinbarten Terminen erschienen sei. Am 3. Mai 2005 gab sie schliesslich an, der Versicherte leide unter neurooptischen Dysfunktionen nach Rauschmittelabusus und an Angstzuständen mit dazugehörigem Tremor, vor allem

      ausserhalb der Wohnung. Daheim fühle sich der Versicherte wohl und leistungsfähig. Er habe aber Angst, hinaus zu gehen. Dazu brauche er Valium. Er würde gerne arbeiten, wenn er Angebote hätte, auch eine Informatikausbildung absolvieren. Der Versicherte nehme sehr hohe Dosen an Tranquilizern ein, dazu Alkohol und Haschisch. Trotz dieser Mittel scheine er leistungsfähig zu sein. Eine Informatikausbildung wäre sinnvoll, weil der Versicherte dann in seiner Wohnung arbeiten könnte. Es sei ihm unmöglich, das Haus zu verlassen, da er dann von der Angst und vom Tremor derartig beeinträchtigt sei, dass er unfähig sei, sich auf etwas anderes einzustellen.

    2. Die IV-Stelle beauftragte am 6. Juli 2005 die psychiatrische Klinik in Pfäfers mit einer Begutachtung des Versicherten. Die Klinik teilte am 25. August 2005 mit, dass der Versicherte zum vereinbarten Termin nicht erschienen sei. Der Versicherte machte am

26. August 2005 geltend, er habe das Aufgebot der Klinik erst am Abend des 25. erhalten. Irgendjemand nehme ihm die Post aus dem Briefkasten und lege sie dann verspätet wieder hinein. Am 15. November 2005 beauftragte die IV-Stelle dann Dr. med. D. mit der psychiatrischen Begutachtung des Versicherten. Dr. med. D. berichtete in seinem Gutachten vom 26. Februar 2006 u.a., der Versicherte habe angegeben, er sei seit eineinhalb Jahren bei der X. GmbH auf Stundenlohnbasis angestellt, wobei er auf ein Arbeitspensum von etwa 10% komme. Er erstelle Websites für diese Firma. Auch diese Stelle habe er über "Vitamin B" erhalten, da er sich über mehrere Jahre langsam einen guten Namen und gute Referenzen verschafft habe. Der Computer sei sein Hobby. Dieses Hobby habe er zu seinem Beruf gemacht. Er habe viel als Freelancer gearbeitet. Dr. med. D. diagnostizierte eine schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv (ICD-10 F 25.1) und eine Störung durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen, Abhängigkeitssyndrom, gegenwärtiger Substanzgebrauch (ICD-10 F 19.24). Dazu führte er aus, die der schizoaffektiven Störung innewohnenden psychotischen Störungsanteile erreichten nie ein Ausmass, das zu einem gänzlichen Realitätsverlust führen würde. Bis anhin habe der Versicherte die psychotischen Erlebnisinhalte als nicht zu ihm gehörig und irreal einstufen können, obwohl diese seit mehr als zehn Jahren persistent vorhanden seien. Als illegales Suchtmittel spiele nur noch Cannabis eine Rolle (aktuell ein bis zwei Joints pro Abend). Da der Versicherte in der Vergangenheit immer wieder ein gewisses Mass an beruflichen Aktivitäten entwickelt habe, sei die beobachtbare Antriebslosigkeit nicht auf den Suchtmittelkonsum,

sondern auf die depressive Komponente der schizoaffektiven Störung zurückzuführen. Der Versicherte sei zu 50% arbeitsfähig, wobei die Arbeitsunfähigkeit in den depressiven Störungsanteilen begründet sei. Die psychotischen Störungsanteile erreichten kein arbeitslimitierendes Ausmass und lösten auch keinen Leidensdruck aus. Mit einer Verfügung vom 5. Januar 2007 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch des Versicherten auf berufliche Eingliederungsmassnahmen, da aufgrund der Drogensucht keine Eingliederungsfähigkeit bestehe. Mit einer Verfügung vom 11. Juli 2007 sprach sie dem Versicherten rückwirkend ab 1. April 2004 eine halbe Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 50% zu.

B.

Der Versicherte meldete sich am 5. Dezember 2007 zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Er verneinte die Frage nach Erwerbseinkommen. Die ELDurchführungsstelle nahm eine Anspruchsberechnung rückwirkend ab 1. April 2004 vor. Dabei berücksichtigte sie jeweils ein hypothetisches Erwerbseinkommen. Mit einer Verfügung vom 21. Februar 2008 sprach sie dem Versicherten rückwirkend ab April 2004 eine Ergänzungsleistung zu. Dagegen liess der Versicherte am 7. April 2008 Einsprache erheben und sinngemäss beantragen, es sei ihm rückwirkend ab April 2004 eine Ergänzungsleistung auszurichten, bei deren Berechnung kein hypothetisches Erwerbseinkommen berücksichtigt werde. In der Einsprachebegründung vom 2. Juli 2008 liess er ausführen, er könne aufgrund seiner gesundheitlichen, mehrheitlich psychischen Probleme seine theoretische Restarbeitsfähigkeit nicht mehr wirtschaftlich verwerten. Er sei auch unfähig gewesen, selbständig Arbeitsbemühungen zu leisten. Gemäss dem beigelegten Zeugnis von Dr. med. A. vom 17. Juni 2008 hatte der Versicherte u.a. an grossen Kontaktschwierigkeiten bei einem erheblich verminderten Selbstbewusstsein, an depressiven Verstimmungen und an Angstzuständen gelitten, die es ihm verunmöglicht hatten, die vorgeschriebenen Termine beim RAV einzuhalten und Bewerbungsverfahren zu bewältigen. Der Versicherte liess ausserdem ausführen, auch die ebenfalls eingereichten - Aktennotizen des RAV belegten seine Unfähigkeit, Arbeitsbemühungen zu leisten. Deshalb sei er als nicht vermittelbar zu betrachten, so dass ihm kein hypothetisches Erwerbseinkommen angerechnet werden dürfe. Die ELDurchführungsstelle wies die Einsprache am 9. September 2008 ab. Sie begründete diesen Entscheid damit, dass die vom Versicherten geltend gemachten

Einschränkungen bereits bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades Berücksichtigung gefunden hätten. Selbst allfällige Belege über erfolglose Arbeitsbemühungen könnten die in Art. 14a Abs. 2 ELV enthaltene Vermutung der Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit nicht umstossen, denn ein Stellensuchender, der dem potentiellen Arbeitgeber signalisiere, dass er sich für arbeitsunfähig halte, könne nicht erfolgreich sein. Das sei beim Versicherten der Fall, denn er habe sich nur beim RAV gemeldet, um eine Ergänzungsleistung zu erhalten.

C.

Der Versicherte liess am 13. Oktober 2008 Beschwerde gegen diesen Einspracheentscheid erheben und sinngemäss beantragen, es sei ihm rückwirkend eine ohne hypothetisches Erwerbseinkommen berechnete Ergänzungsleistung zuzusprechen. Weiter liess er ausführen, aufgrund der im Arztzeugnis vom 17. Juni 2008 angegebenen Unfähigkeit, selbständige Arbeitsbemühungen zu leisten, sei die Vermutung des Art. 14a Abs. 2 ELV widerlegt. Aus den Aktennotizen des RAV sei ersichtlich, dass er vom Arzt habe ermuntert werden müssen, die Termine beim RAV einzuhalten. Das sei aber praktisch kaum gelungen. Er sei unfähig gewesen, Verpflichtungen irgendwelcher Art wahrzunehmen, geschweige denn ein Bewerbungsverfahren durchzustehen. Das hätten auch die verschiedenen Gutachter erfahren, die ihn im IV-Verfahren hätten abklären sollen. Dass er sich beim RAV telephonisch und per e-mail habe melden können, ändere daran nichts. Im übrigen habe die IV-Stelle ihm die Möglichkeit, sich beruflich einzugliedern, verwehrt. Wenn er nicht fähig gewesen sei, sich aktiv an Eingliederungsmassnahmen zu beteiligen, dann habe er auch keine Arbeitsbemühungen tätigen können. Im Sinne eines Eventualantrages verlange er die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens erst ab der Anmeldung beim RAV.

D.

Die EL-Durchführungsstelle beantragte am 12. November 2008 die Abweisung der Beschwerde.

E.

Die Gerichtsleitung forderte am 30. März 2009 die vollständigen IV-Akten an. Der Versicherte erhielt Gelegenheit, sich dazu zu äussern. Er liess am 30. September 2009 ausführen, während des IV-Verfahrens hätten verschiedene Fachärzte festgestellt, dass er von 2004 bis 2007 unfähig gewesen sei, Verpflichtungen irgendwelcher Art nachzukommen. Insbesondere habe Dr. med. C. angegeben, er müsste die Möglichkeit haben, zuhause zu arbeiten. Um wieder ausserhalb der Wohnung Termine wahrnehmen sogar arbeiten zu können, müsste er einer adäquaten Behandlung zugeführt werden. Sogar der RAD habe angegeben, es sei möglich, dass er krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, zu einem bestimmten Termin die Wohnung zu verlassen. Nach der Ansicht des Versicherten stand damit fest, dass 2004 bis 2007 keine subjektiv wie objektiv genügende und stabile Befindlichkeit bestanden habe, die eine Eingliederung via RAV zugelassen hätte.

F.

Die EL-Durchführungsstelle machte am 28. Oktober 2009 unter Berufung auf eine Lehrmeinung geltend, gemäss Art. 14a Abs. 2 ELV seien hypothetische Erwerbseinkommen ausnahmslos anzurechnen.

Erwägungen:

1.

Teilinvalide EL-Ansprecher trifft eine EL-spezifische "Schadenminderungspflicht". Sie müssen ihren Existenzbedarf aus einem Erwerbseinkommen bestreiten, soweit ihnen dies noch möglich und zumutbar ist (Art. 11 Abs. 1 lit. g i.V.m. Art. 11 Abs. 1 lit. a ELG). Erfüllen sie diese "Schadenminderungspflicht" nicht, werden sie EL-rechtlich so gestellt, wie wenn sie sie erfüllt hätten. Es wird ihnen nämlich ein hypothetisches Erwerbseinkommen in dem Betrag angerechnet, den sie erzielen könnten, wenn sie ihre verbliebene Arbeitsfähigkeit verwerten würden. Die beiden häufigsten Ursachen für die Unmöglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, sind die behinderungsbedingte Erwerbsunfähigkeit/Invalidität und die Arbeitslosigkeit. Die von der Beschwerdegegnerin angesprochene Lehrmeinung (vgl. Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XIV Soziale Sicherheit, Ralph Jöhl und Patricia Usinger-

Egger, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, Rz 191 S. 1768) ist zwar in Anbetracht des Zwecks der Ergänzungsleistung völlig folgerichtig, aber die Voraussetzungen einer Änderung der anderslautenden, jahrzehntealten Praxis sind nicht erfüllt. Die Arbeitslosigkeit ist deshalb grundsätzlich als Faktor fehlenden Erwerbseinkommens - und damit des Fehlens eines Einkommensverzichts zu berücksichtigen. Art. 14a Abs. 2 ELV schliesst es in aller Regel aus, die IV-rechtlich ermittelte Invalidität zu überprüfen. Die Invaliditätsbemessung durch die zuständige IV-Stelle ist demnach als gegeben zu betrachten. Nur jener teilinvalide EL-Ansprecher, der glaubhaft machen kann, dass der von IV-Stelle ermittelte Invaliditätsgrad falsch sei, kann im EL-Verfahren gehört werden. Andernfalls wären die EL-Durchführungsstellen nämlich routinemässig zu einer eigenständigen Invaliditätsbemessung verpflichtet, was verfahrensökonomisch unsinnig wäre. Diese Beschränkung der Untersuchungspflicht der ELDurchführungsstellen ist aber nicht so zu verstehen, dass die behinderungsbedingten Nachteile eines EL-Ansprechers bei der Beantwortung der Frage, ob eine nicht zu verhindernde Arbeitslosigkeit vorliege, nicht beachtet werden dürften. Behinderungsbedingte Nachteile sind nämlich durchaus geeignet, das Finden einer geeigneten Arbeitsstelle zu erschweren, weil viele Arbeitgeber davor zurückschrecken, eine gesundheitlich angeschlagene Person anzustellen. Die effektiv bestehende Arbeitslosigkeit eines EL-Ansprechers vermag aber nur dann die in Art. 14a Abs. 2 ELV aufgestellte Vermutung, es werde auf ein Erwerbseinkommen verzichtet, umzustossen, wenn der EL-Ansprecher alles Zumutbare unternommen hat, um diese Arbeitslosigkeit zu überwinden und eine Arbeitsstelle zu finden, wenn zum vornherein offenkundig ist, dass nicht die geringste Chance besteht, eine Arbeitsstelle zu finden, wenn der

EL-Ansprecher nicht fähig ist, sich zu bewerben. Da den EL-Ansprecher eine ELspezifische "Schadenminderungspflicht" trifft, er also verpflichtet ist, seinen Existenzbedarf aus eigener Kraft zu decken, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, kann das Faktum allein, dass der EL-Ansprecher arbeitslos ist, die Vermutung des Art. 14a Abs. 2 ELV nicht widerlegen. Der EL-Ansprecher kann den Nachweis dafür, dass er objektiv nicht in der Lage ist, eine geeignete Arbeitsstelle zu finden, nur dadurch führen, dass er sich im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren um eine Arbeitsstelle bemüht, aber dabei keinen Erfolg hat. Dieser Nachweis kann analog der Situation in der Arbeitslosenversicherung in aller Regel nur durch qualitativ und quantitativ ausreichende persönliche Arbeitsbemühungen geführt werden. Ohne

Arbeitsbemühungen kann der Nachweis der unvermeidbaren Arbeitslosigkeit nur geführt werden, wenn derartige Bemühungen als unzumutbar qualifiziert werden müssen, weil ihre Erfolglosigkeit zum vornherein offenkundig ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn in der Person des EL-Ansprechers zusätzlich zur eigentlichen Behinderung/ Invalidität so viele Wettbewerbsnachteile auf dem in Frage kommenden Arbeitsmarkt vereint sind, dass kein Arbeitgeber bereit ist, den betreffenden EL-Ansprecher anzustellen, selbst wenn der verlangte Lohn deutlich unter dem Durchschnitt liegt. Die Arbeitsmarktsituation kann die negative Wirkung dieser Wettbewerbsnachteile zwar akzentuieren, aber sie ist für sich allein (also ohne in der Person des EL-Ansprechers liegenden besondere Nachteile) nicht geeignet, die Überwindung der Arbeitslosigkeit als zum vornherein ausgeschlossen erscheinen zu lassen (vgl. zum Ganzen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. Mai 2009, EL 2008/24, Erw. 4.2).

2.

Der Beschwerdeführer hat keine "klassischen" Arbeitsbemühungen unternommen. Er ist deshalb nicht in der Lage, die behauptete objektive Unfähigkeit, die Arbeitslosigkeit zu überwinden und die verbliebene Arbeitsfähigkeit von 50% zu verwerten, durch eine ausreichende Zahl erfolgloser Bewerbungen zu belegen. Stattdessen beruft er sich auf seine krankheitsbedingte Unfähigkeit, sich zu bewerben. Als Beleg für diese Behauptung dient ihm das Zeugnis von Dr. med. A. vom 17. Juni 2008, laut dem es ihm glaubhaft unmöglich gewesen ist, die vorgeschriebenen Termine beim RAV wahrzunehmen und Bewerbungsverfahren zu bewältigen. Tatsächlich ist der Beschwerdeführer gemäss seinen eigenen Angaben gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. D. im fraglichen Zeitraum aber erwerbstätig gewesen, wenn auch nur mit einem Beschäftigungsgrad von ca. 10%. Er hat also eine Arbeitsstelle finden können, ohne sich beim RAV einzufinden ein klassisches Bewerbungsverfahren (schriftliches Bewerbungsdossier, Vorstellungsgespräch, allenfalls Assessment) absolvieren zu müssen. Der Beschwerdeführer hat sich nach seinen eigenen Angaben in der Branche, für die er tätig gewesen ist, einen guten Namen und gute Referenzen geschaffen. Das wäre ohne eine Erwerbstätigkeit für mehrere Betriebe dieser Branche und ohne einen gewissen Mindestbeschäftigungsgrad gar nicht möglich gewesen. Das belegt, dass es dem

Beschwerdeführer vom Computer in seiner Wohnung aus möglich gewesen ist, sich verschiedene Erwerbsquellen zu verschaffen. In dieser Branche scheint dies mittels ausschliesslichem Internetkontakt möglich gewesen zu sein, so dass der Beschwerdeführer gar nicht gezwungen gewesen ist, sich ausserhalb seiner Wohnung zu bewegen und sich "klassisch" zu bewerben. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer objektiv in der Lage gewesen ist, seine Restarbeitsfähigkeit zu verwerten. Seine Krankheit hat ihn also nicht zu jener unvermeidbaren Arbeitslosigkeit verurteilt, die er im Verwaltungsund im Beschwerdeverfahren behauptet hat. Dass es möglicherweise Phasen gegeben hat, in denen die Beschwerdeführer depressionsbedingt auch zuhause am Computer unfähig gewesen ist, sich "elektronisch" zu bewerben, ist nicht relevant, denn diese Phasen müssen kurz und wenig zahlreich gewesen sein, weil es dem Beschwerdeführer sonst nicht möglich gewesen wäre, fristgerecht die Ergebnisse seiner Arbeit abzuliefern.

3.

Nichts spricht gegen die Annahme, dass der Beschwerdeführer in der Lage gewesen wäre, das bestehende Arbeitsverhältnis von ca. 10% auf 50% auszudehnen weitere Arbeitgeber zu finden und so für mehrere Unternehmen zusammen zu 50% arbeiten zu können, denn es fehlen Aufzeichnungen darüber, wie oft und auf welche Art der Beschwerdeführer erfolglos versucht hat, sich auf elektronischem Weg bei den in Frage kommenden Arbeitgebern als "Heimarbeiter" zu bewerben und wie oft und auf welche Art er vergeblich versucht hat, als selbständigerwerbender Spezialist auf seinem Bereich Aufträge zu erhalten. Dieser Nachweis hätte nur durch entsprechende Belege und Aufschriebe des Beschwerdeführers und gegebenenfalls der angefragten Unternehmen Personen geführt werden können. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, die behauptete objektive Unmöglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens zufolge unverschuldeter Arbeitslosigkeit zu belegen und so die Vermutung des Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV umzustossen. Die Beschwerdegegnerin hat somit zu Recht das von Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV jeweils vorgegebene hypothetische Erwerbseinkommen angerechnet. Daran ändert die Tatsache nichts, dass der Beschwerdeführer effektiv ein Erwerbseinkommen erzielt hat. Art. 14a Abs. 1 ELV kommt nämlich in Fällen wie dem vorliegenden nur zur Anwendung, wenn das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen

höher ist als das pauschale hypothetische Erwerbseinkommen nach Art. 14a Abs. 2 ELV. Der Betrag des vom Beschwerdeführer effektiv erzielten Erwerbseinkommens ist zwar nicht bekannt, so dass eigentlich eine weitere Abklärung erforderlich wäre. Nun ist aber in antizipierender Beweiswürdigung davon auszugehen, dass das mit einem Beschäftigungsgrad von ca. 10% erzielte Erwerbseinkommen jeweils tiefer gewesen ist als der in Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV vorgegebene Betrag, so dass letzterer anzurechnen ist. Der angefochtene Einspracheentscheid erweist sich somit als korrekt. Die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens wegen "selbstverschuldeter" Arbeitsoder Auftragslosigkeit stellt einen Dauersachverhalt dar, welcher der Revision nach Art. 17 Abs. 2 ATSG unterliegt. Sollte der Beschwerdeführer in Zukunft seine geringe allenfalls sogar vollständige Erwerbslosigkeit durch geeignete Belege/ Aufschriebe als "unverschuldet" nachweisen können, wird die Vermutung der Erzielung eines bestimmten Erwerbseinkommens nach Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV durch den Nachweis "unverschuldet" fehlenden Erwerbseinkommens abgelöst. Darin wird eine revisionsrechtlich relevante Sachverhaltsveränderung zu erblicken sein, was eine entsprechende Erhöhung der Ergänzungsleistung zulassen wird.

4.

Gemäss den vorstehenden Ausführungen ist die Beschwerde abzuweisen. Das Beschwerdeverfahren ist kostenlos. Der vollumfänglich unterliegende Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Da er aber als vermögensloser EL-Bezüger praxisgemäss ohne weiteres die Voraussetzungen einer unentgeltlichen Rechtsverbeiständung erfüllt, hat der Staat seinen Rechtsbeistand lic. iur. HSG Marc Weber zu entschädigen. Die Parteientschädigung würde sich nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Art. 61 lit. g ATSG). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erschiene eine Parteientschädigung von Fr. 3000.- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen. Dieser Betrag ist gemäss Art. 31 Abs. 3 des st. gallischen Anwaltsgesetzes um einen Fünftel zu reduzieren. Der Staat entschädigt deshalb den Rechtsbeistand des Beschwerdeführers mit Fr. 2400.-. Sollten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers in der Zukunft so verbessern, dass er diese Kosten selbst tragen kann, ist er zur Nachzahlung des vom Staat ausgerichteten Betrages verpflichtet (Art. 99 Abs. 2 VRP i.V.m. 288 Abs. 1 ZPG).

Demgemäss hat das Versicherungsgericht

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

  3. Der Staat entschädigt den Rechtsbeistand des Beschwerdeführers mit Fr.

2400.-.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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